"Wir kommen von der Baubehörde", stellte ich mich und meinem
Freund uns dem jungen Hausherren vor. "Sie wissen doch Bescheid; Endabnahme
nach §16, Artikel 5, Absatz römisch Drei Schrägstrich 18
c - die revidierte Neubaurestriktion der Bauverordnung der EU..."
"Wie? ... Äh ja, ... Nun, äh ... kommen Sie doch erstmal
rein ..."
Mir war es an der Theke mal wieder zu langweilig geworden und habe
meinen Freund überredet, das "EU-Behördenspiel" zu spielen. Jetzt
standen wir im Flur eines frisch gebauten Bungalows, einen sichtlich verwirrten
Hausbesitzer vor uns.
"Übrigens habe ich bemerkt", sagte ich mit milder Strenge,
"daß Sie in Ihrem Garten einige recht große Gartenzwerge
aufgestellt haben." - "Ja, natürlich ... Wieso? ..." -
"Entspricht mit Sicherheit nicht der EU-Verordnung über Privatgärtenexponate.
Viel zu groß - Fällt nicht in unseren Kompetenzbereich",
beschwichtigte ich, als der junge Mann sein Gesicht in noch sorgenvollere
Falten legte. "Nur ein Tip sozusagen rein privater Natur", meine
Blicke schweifen achtlos durch den Flur.
Der Hausherr bemühte sich um ein dankbares Lächeln. "Zunächst
die Höhe der Lichtschalter", sagte mein Freund resolut und zog
ein Maßband aus der Tasche. "Ein Meter zehn. Wo sind die Lichtschalterschemel?"
Die Stimmes meines Freundes klang recht streng. "Wieso ....Was für
Schemel? ... Ich hatte keine Ahnung ...?" - "Neben Lichtschalter,
die höher als ein Meter fünf liegen, gehören Schemel - EU-Kinder
werden nicht als Riesen geboren", fachsimpelte ich. Der Hausherr sah
mich noch sorgenvoller an: "Ja natürlich ... Wir haben noch keine
Kinder ... Meine Frau ... "
Die adrette Gattin des Hausherren hatte sich zu uns gesellt. Ich gestattete
mich ein verbindliches Lächeln und stellte uns ein zweites Mal vor.
Die junge Dame zeigte sich zuvorkommend. "Ob die Herren vielleicht einen
Cognac ... Dort ist die Hausbar ..." - "Eigentlich nicht", zögerte
ich. "Wir sind im Dienst. Aber andererseits ..."
Nach dem dritten Cognac wurde ich etwas gelöster. "Von mir
haben Sie nichts gehört: bemühen Sie sich baldmöglichst
um einen Ausschankerlaubnis für den Privathaushalt." Der Hausherr
schaut mich mit grossen Augen an: "Aussschankerlaubnis!? - Für
mein Wohnzimmer? ... Wie ..." - "Neue EU-Richtlinienverordnung",
unterbrach ihn mein Freund. "Noch in Vorbereitung, daher vertraulich
- aber so gut wie beschlossen." Ich nickte zustimmend und schaute den
ratlosen Hausherren an.
Dankend ließen wir uns nachgießen. "Sie können
sich vorstellen, daß die Erteilung von Privatausschankkonzessionen
natürlich limitiert wird. Die übliche Amtsbürokratie",
erklärte ich. "Die EU wird dann als nächsten Schritt die Konzessionsinhaber
verpflichten, den Getränkeverbrauch ihrer Gäste, sei es denn
bei Privatessen oder zur Grillparty, steuerlich zu deklarieren."
Der Hausherr und seine hübsche Gattin wurden blass und gossen
sich selbst zwei große Gläser ein. "Das ist, wie gesagt, streng
vertraulich", zwinkerte mein Freund. Unsere Gläser wurden erneut
gefüllt und wir ersparten unseren netten und unsicheren Gastgebern
den Rest der Bauprüfung. "Ich selbst sehe ja auch keinen Sinn,
wenn man die Mindesthöhe von Zimmerpflanzen amtlich vorschreibt, oder
den Höchstabstand zwischen Kühlschrank und Küchentisch",
gestand ich. "Aber was sollen wir machen? Vorschrift ist Vorschrift
... Und die EU ist nunmal die EU."
Wir tranken noch einige Gläser des wirklich exzellenten Cognacs
und verabschiedeten uns von dem jungen Paar mit dem Hinweis, die Lichtschalterschemel
bald anzuschaffen. "Aber nur EU-genormte Schemel", mahnte mein Freund
mit schon etwas schwerer Zunge.
Alles redet heute von der Isolation des Einzelnen. Dabei gibt es mehr
Wege denn je, neue Menschen kennenzulernen, ihnen einige nützliche
Tips zu geben, gemeinsam einen Glas zu heben. Dazu wurde sie nämlich
gegründet. Die EU. Samt Richtlinien.