Parfümeriekette

Nein - diesmal sage ich nicht explizit, um welchen Sauladen es sich handelt. Es ist die größte Parfümeinzelhandelskette in Deutschland. Ihre Fernsehwerbung läuft sehr häufig, sie haben gar gräusliche Papiertüten und (als optische Einstimmung auf das Preisniveau?) apothekenähnlich weißbekittelte Mitarbeiterinnen. An der Stelle mußte ich jetzt doch stark überlegen, ob ich "MitarbeiterInnen"schreiben muß. Muß ich aber nicht. Die einzige männliche Pappnase die ich da jemals gesehen habe, war ein TÜRSTEHER ohne Kittel. Dessen Hauptaufgabe war offensichtlich, das dümmliche Flirten mit den wenigen passabel aussehenden weiblichen Angestellten.

Weswegen ich mich aber über diese Firma so abfällig äußern muß, ist daß ich in keiner ihrer Verkaufsstellen bisher tadellos bedient wurde. Ich spreche hier nicht von Streßzeiten, wie Weihnachten oder sonstige Gelegenheiten, wo alle Deppen, die bis 4 Stunden vor der Deadline immer noch kein Geschenk gefunden haben, in ihrer stupiden Einfallslosigkeit die Parfümerien stürmen. Nein, ich meine den ganz normalen Alltag. Unter der Woche oder am Samstag, zu irgendeiner Uhrzeit und an irgendeinem Ort. Allein in und um Frankfurt gibt es mindestens, ja genau min-des-tens 10 Verkaufsstellen. Man muß auch immer im Hinterkopf haben, daß die Angestellten, bezogen auf ihren eigenen Personenumsatz, Provision erhalten.
Um es vorweg zu nehmen: Ich gehe nicht mehr hin, sondern lasse mein Geld lieber bei den unabhängigen Nicht-Filialisten.

Service-Variante 1:
Ich betrete den Laden und keine der Angestellten nimmt Notiz von mir. Echt Toll, bei 70 Quadratmeter Ladenfläche, 6 Angestellten und einer weiteren Kundin.
Eine Verkäuferin kümmert sich um die vorhandene Kundin.
Zwei Verkäuferinnen hocken hinter einer Theke auf dem Boden, tun so als würden sie etwas einräumen. Aufgrund der Lautstärke in der sie sich unterhalten, ist unschwer zu erkennen, daß sie einen Kaffeplausch-ohne-Kaffee halten.
Eine Verkäuferin wuselt um die Regale und verschwindet immer wieder im Lager, wobei sie hierfür grußlos an mir vorbeizieht.
Eine Verkäuferin befaßt sich akribisch mit den vielen bunten Tasten der ach-so-komplizierten, voll-digitalen Kasse (Vielleicht wäre so eine alte Mühle mit Drehkurbel angebrachter in dieser Parfümeriekette. Denn die Kasse hat sich eigentlich als Dauerbeschäftigungsinstrument erwiesen. Immer wenn ich reingekommen bin, egal wo, egal wann, hat sich irgendjemand damit befaßt).
Zwei Verkäuferinnen unterhalten sich ganz offen über ihre Verwandtschaft, eine Boygroup, ihre Kinder, ihren Lover oder-was-weiß-ich-was.
Ja und ich? Wehe ich wagte es, mich einem Regal zu nähern und ein Produkt herauszunehmen.
Sofort kommt jemand mit vorwurfsvollem Gesichtsausdruck und keifendem Unterton in der Stimme angerauscht. Der hierbei deklamierte Text lautete zwar meistens "Kann ich Ihnen behilflich sein?", der Unterton bedeutete aber "Wie kannst Du Scheißkunde es eigentlich wagen, die von uns so mühevoll in Reih und Glied aufgestellten Schachteln anzufassen? Mach das nicht noch mal!" Nachdem ich diesen Mechanismus einmal erkannt hatte, habe ich mir dann später auf diese Art und Weise immer eine Verkäuferin beigezaubert...
Grundsätzlich fällt das Fehlen einer jeglichen Begrüßungsfloskel auf. Ich erwarte nicht, daßman mir beim Betreten des Ladens die Schuhe putzt, obwohl das auch mal ganz nett und auch hin und wieder in Anbetracht meiner Schuhe notwendig wäre, aber so anstrengend kann doch ein zusätzliches "GutenTag" nicht sein, wenn denn überhaupt schon mal der Kontakt hergestellt wird.

Service-Variante 2 (der Kontakt ist endlich hergestellt):
Die Angestellte kümmert sich beiläufig um mich, läßt mich aber dann kommentarlos "im Regen stehen",um eine Stammkundin oder eine Freundin zu begrüßen.
In Folge dessen suche ich mir dann eventuell alleine etwas aus und begebe mich zur Kasse.
Augenblicklich kommt ein Kugelblitz hinzugeschossen,der sich als genau jene Verkäuferin erweist, die mich vorher hat stehenlassen, um einen kleinen Aufkleber von der Verpackung abzuknibbeln, der als Umsatz- und Provisionsberechtigungsnachweis dient. Ich habe ihr dies dann untersagt, verbunden mit der Androhung, das Produkt nicht zu erwerben. Die blöde Kuh soll nicht glauben, daß sie auch noch für nicht geleistete Dienste Provision bekommt!

Service-Variante 3 (bis jetzt ist alles ganz gut gegangen):
Ich stehe an der Kasse, habe mehrere hochpreisige Produkte und ein bißchen Blödsinn vor mir aufgebaut und bin zahlungswillig. Man fragt mich, ob ich eine Kundenkarte hätte, die mich zu Ermäßigungen berechtige. Nein, habe ich nicht. Man fragt mich, ob ich denn nicht eine haben wolle. Nein, möchte ich nicht. Man erläutert mir, daß ich saublöd sei, wenn ich dieses einmalige Angebot mit seiner Rabattermöglichung nicht wahrnähme. Nein Danke, ich möchte saublöd sein. Man hält mir ultimativdas Antragsformular unter die Nase und keift mich an, die Ausfüllung dauere nur ein paar Sekunden.
Ich drohe an, den Laden ohne die von mir ausgewählten Produkte im Gesamtwert von circa DM 450,- zu verlassen, wenn man mich jetzt nicht bald mit diesem Rabatt-Sch... in Frieden läßt und einfach abkassiert.

Service-Variante 4 (man hat sich damit abgefunden,daß ich keine Treuekarte möchte):
Es wird endlich kassiert. Unter den Produkten befinden sich auch Damenkosmetika sehr namhafter Hersteller, die normalerweiseauch als Haute Couture-Unternehmen bekannt sind. Die Produkte sind zwar auf den ersten Blick teuer, aber sparsam im Verbrauch und sehr wirksam.
Kurz: wir sind sehr zufrieden damit und würden uns durchaus überzeugen lassen, aus dieser Serie noch mehr auszuprobieren oder ähnliche Qualitätsprodukte anzuwenden.
Eine Angestellte fragt mich, ob sie mir auch einige Proben anderer Hersteller dazugeben darf. Ich bejahe. Man packt mir daraufhin irgendwelche low-budget Produkte ein, die preislich und qualitativ auf dem Niveau von Atrix / Manhattan Cosmetic / Chicogo liegen. Hat die gute Frau eine Meise oder was? Wenn ich an ihrer Stelle wäre und bekäme Umsatzprovision, dann ziehe ich doch einen Kunden nicht von einem Hochpreisprodukt herunter auf eine Billigmarke. Soll heißen: Wer eine Puderdose samt Inhalt für DM 150,- kauft, den ziehe ich doch nicht runter auf eine Make-Up-Tube für DM 13,95!

Service-Variante 5 (das Pröbchen-Lotto ist noch mal glimpflich abgegangen):
"Soll ich Ihnen etwas als Geschenk einpacken?"fragt mich die andere Person jenseits der Theke, mit einem tatsächlich freundlichen Unterton. Ich vermute, daß sie sich vor anderer Arbeitdrücken möchte und stimme ihrem Vorschlag zu.
In aufwendigster Art - tatsächlich im Sinne von Kunst zu verstehen - werden dann in Folge Klarsichtfolien-Bögen zurecht geschnippselt, aus Geschenkband eine Blume gebunden, diese dann auf das in Klarsichtfolie gehüllte Produkt apliziert - wobei zur Befestigung ein Aufkleber der Parfümeriekette dient - und mir das fertige Werk überreicht.
Ich freue mich über die schöne Arbeit,danke der Person dafür und bitte sie noch um einen letzten Gefallen:"Könnten Sie eventuell noch das Preisschildchen entfernen, daß noch auf dem Boden des Produktkartons haftet?" Was weiß denn ich, welche tollen Tricks die in dem Laden drauf haben, um den Kunden zuverblüffen und das Preisschild durch die Klarsichtfolie hindurch unleserlichzu machen - durch Kryptonit-Bestrahlung oder so. Auf jeden Fall bin ich nicht dazu da, den Angestellten zu erklären, wie sie ihre Arbeit zumachen haben.
Anmerkung: Klarsichtfolie ist Umweltschädlich. Geschenke sind, insbesondere wenn es sich um Kosmetika handelt, ganz besonders Ätzend zu überreichen, wenn der Beschenkte schon im selben Augenblick erkennt, was er da bekommt - die Vorfreude ist futsch. Es geht den Beschenkten doch nun wirklich nichts an, wo ich den überreichten Gegenstand hergezaubert habe. Dank des Firmenaufklebers zur Blumenbefestigung, kann der Beschenkte schon gleich morgen losziehen, um zu überprüfen, wieviel er mir wert war.

Service-Variante 6 (die Produkte sind bereit für den Abtransport):
Ich stehe an der Kasse, vor mir eine Batterie von 5 Kartons, einer Gummi-Ente und einem Schwamm, sowie vier kleine Kartonummantelungen, die Pröbchen beinhalten. In meiner linken Hand halte ich eine DIN-A6-formatige Tüte, die eine Geburtstagskarte enthält.
Da trifft mich die ultimative Frage wie ein Blitzschlag aus heiterem Himmel: "Möchten Sie eine Tüte oder wird's so gehen?" Ja was denn? Soll ich mir den ganzen Krempel in die Hemdbrusttasche stopfen? Oder vielleicht kunstvoll gestapelt, zwischen rechter Hand und Kinn festgeklemmt, durch das Einkaufszentrum 1.000 Meter zurück zum Auto balancieren - wo mir spätestens dann, beim akrobatischen Versuch, meinen Autoschlüssel mit der linken Hand aus der rechten Hosentasche zu nesteln, diese Miniaturrekonstruktion des Turmbaus zu Babel auf das Pflaster stürzt? "Ja, ich hätte gerne eine Tüte."Und in diesem Augenblick wiederholt sich das Bild des Grauens. Die Ägypterin zieht unter dem Tresen eine A3-formatige Scheußlichkeit hervor, die mich innert weniger Sekunden zur Werbe-Littfaßsäule deklassiert. Nicht nur für das Parfümhandelshaus soll ich werben, auch fürirgendein Produkt, daß ich im Leben nicht anfassen würde, verziert mit den lieblichsten Darstellungen von Blümchen-Tapeten, die man mit einem Weichzeichner retuschiert hat, in bestbewährter Sarah-Kay-Manier.
Mir wird speiübel und ich bitte sofort um eine zweite Tüte...

Service-Variante 7 (ich habe mir die Tüte unter das Hemd gestopft, damit sie niemand sieht):
Ich wünsche den Angestellten noch einen schönen Tag und hoffe in meiner altmodischen Art vergeblich auf eine entsprechende Replik und wende mich als dann dem Ausgang zu. Noch bevor ich die Schwelle nach draußen auch nur annähernd erreicht habe, höre ich, wie die Gesamte Belegschaft anfängt, sich über mich das Maul zu zerreißen.