Gäbe es eine "Unfrage des Jahres", nein hören Sie, es handelt
sich nicht um irgendeine verdammte Umfrage des Jahres, sondern um eine Unfrage;
ich werde doch wohl schon selber wissen, was ich zu Blatt bringe.
Also nochmal: Gäbe es eine "Unfrage des Jahres", ich würde regelmäßig
"Wie geht's?" nominieren.
Denn einmal davon abgesehen, daß sich das wahre Interesse des
Fragestellers üblicherweise genau indirekt proportional zur Länge
der Ausführungen des Antwortsgebers verhält, mach sich der Frager
moralisch schuldig, weil er den Verhörten für gewöhnlich
zum Lügen, zum Rumeiern und im schlimmsten Fall zum Weinen verleitet.
Und überhaupt, wie soll es schon gehen? Haben Sie auch schon einmal
mit diesen Gedanken gespielt, wie es einem es schon so gehen soll? Na,
mal so und so eben. Aber ist das wirklich wichtig?
Am Dienstag morgen nach dem Frühstücken zum Beispiel ging
es mir gut. Dann gegen Mittag wurde ich müde, was ich als weniger
angenehm empfand. Dafür hatte ich am späten Nachmittag wieder
frischen Wind an den Segeln. Allerdings wurde meine Stimmung gegen Abend
getrübt, weil mal der Regen aufkam und ich außerdem einen Stein
im Schuh hatte, den ich nicht los wurde, da ich nämlich eine Teppichrolle
aus dem Baumarkt trug, welches ich nicht absetzen konnte, weil es, wie
gesagt, regnete.
Und nun Hand auf's Herz und seien Sie mal ehrlich: Interessiert das
etwa irgend jemanden?
Na also.Und doch werden hierzulande tagtäglich unbescholtenen
Bürger wie mich von vollautomatischen Plaudertaschen tausendfach Löcher
in den Bauch gefragt, wie es einem ginge. Wozu die ewige Fragerei nach
dem Befinden?
Wenn der Geschäftspartner nicht glaubt, daß es mir einfach
super geht, dann kann er mir doch gleich sagen: "Du guckst komisch".
Oder nehmen wir mal das andere Extrem: Es geht mir hundeelend und ich schleiche
wie ein Schatten durch die Weltgeschichte, und plötzlich streift der
leere Blick das Gesicht eines Bekannten. Doch statt respektvoll einen großen
Haken, verstellt er den Weg und trällert quietschvergnügt sein
penetrantes "Wie geht's?".
Das ist doch wohl der Gipfel der Grausamkeit! Warum tritt dieser Mensch
nicht gleich auf dem Fuß und fragt dann, ob es wehtut?
Das wirklich Unangenehme aber ist, daß es einem im Normalfall
weder super noch dreckig geht, sondern so lala geht. Aber "so lala" kann
man natürlich nicht sagen, weil der für solche Situationen gedrillte
Nervtöter von der Schwafelguerilla auf der Stelle wissen will: "Wie
lala?"
Und schon ist man wieder gezwungen, zu labern, Phrasen zu dreschen
oder wegen Nötigung seinen Anwalt einzuschalten, der hoffentlich nicht
nach meinem Befinden fragen würde. So sind diese Leute eben. Da kann
man gar nichts machen.
Also wenn es nach mir ginge, dann dürfte sich nur noch mein Hausarzt
ungestraft nach meinem Befinden erkundigen. Und die Frage "Wie geht's?"
stünde auf der Liste der bedrohten Redensarten. Aber nach mir geht
es ja nicht. Leider. Und wenn jetzt jemand wissen will, wie es mit damit
geht - danke ich kann nicht genug klagen.